11. Mai 2007

Punjab Mail

Morgens bin ich mal wieder leidlich nervös, danke Sandra, dass du das erträgst, ich kann es mir wieder Mal nicht erklären, besonders deshalb nicht, weil ich im Sandsturm so ruhig war, aber nun bin ich wieder von der Rolle, schon deutlich vor der Zeit wach und eigentlich nicht mal mehr bereit, zu frühstücken.

Dann ist unser Zug natürlich zu spät, also alle Eile umsonst. Am Bahnsteig gesellt sich ein irrer Spanier zu uns, der in den letzten vier Tagen schon mehr Geld in Indien gelassen hat, als wir zu zweit in zwei Wochen, inklusive Dubai. Er heißt Ariel, ist ganz nett, hat aber auch so manchen Schuss nicht gehört, wie sich noch herausstellen wird.

Mit etwa 30 Minuten Verspätung fährt der "Punjab Mail" ein und wir laden Ariel ein, am Tag mit uns im Schlafwagen zu sitzen, er hat nur ein Ticket wir die Sitzklasse ohne Aircon, also das niedrigste (oder?).

Nach einer Weile beginnen wir mit einer Partie Uno, was bei den Kindern der benachbarten Abteile auf großes Interesse stößt. Neugierig beobachten sie uns, setzen sich dann, von ihren Eltern ermutigt, zu uns.

Zunächst lassen wir die Kinder ein paar Runden mit in unsere Karten gucken, sie beobachten eifrig und hin und wieder erklärt eine Mutter oder ein Vater etwas, denn auch sie sehen bisweilen neugierig zu. Dann kommt jedoch unser Mittagessen (ja ja, Deutsche Bahn, daran nehmt euch mal ein Beispiel) und wir brechen das Spiel vorerst ab.

Das Essen mundet gut. Ariel, der vorgibt, Koch zu sein, isst nur ein paar Happen, es ist ihm zu spicy. Erste Anzeichen seiner Seltsamkeit flammen auf, auch, als er seine 32 Rs mit zwei hundertern begleichen will (und uns schwant, warum er bisher so viel Geld losgeworden ist).

Dann kommt das kleine Mädchen, das vorhin beim Uno mit in die Karten geschaut hat und fragt, ob einer von uns Schach spielt, und so spiele ich zwei Partien gegen sie. Ich gewinne beide, Kunststück bei einem kleinen Mädchen als Gegner, aber ich bemerke, dass sie gut spielt und sogar über ein paar Züge hinaus ihre Aktionen plant, nicht schlecht.

Dann bekomme ich einen neuen Gegner, ich den Bruder/Freund/Neffen etc. des Vaters, und es wird eine gute Partie, die ich gewinne, weil er den ein oder anderen Fehler macht und zwei oder drei kapitale Schnitzer meinerseits nicht bemerkt. Mir fällt aber auf, wie viel Spaß es macht, Schach zu spielen, und Zug um Zug entsinne ich mich neuer Feinheiten, auf die es zu achten gilt, etwa Dinge wie

Jan gewinnt gegen kleines, indisches Mädchen

Jan gewinnt gegen kleines, indisches Mädchen

Ich stelle fest, dass er keinen einzigen Tausch macht, also niemals eine Figur schlägt, um in der Folge eine gleichwertige Figur zu verlieren. Stattdessen vernachlässigt er seine Dame auf weiter Flur, so dass ich sie einfach nehmen muss und schließlich leite ich das Schachmatt durch einen Tausch wie beschrieben ein.

Während des Spiels nasche ich köstliche, getrocknete Datteln, die wir angeboten bekamen.

Dann wird zu fünft Uno gespielt. Sandra, Ariel, das kleine Mädchen, ihr Bruder und ich. Der kleine Bursche gewinnt fünf Mal, obwohl er mit offenen Karten spielt. Sandra gründet mit der kleinen eine Girl Power Allianz wirkt so entscheidend an ihrer Erziehung mit.

Girl Power

Girl Power

Weitere Spiele: Tic Tac Toe (in einer Mühle-ähnlichen Variante) und Ludo = Mensch ärgere dich nicht.

Am Abend gerät Ariel wieder etwas mehr in den Mittelpunkt, als mir lieb ist: Auch, als die Anzahl der Sitzenden die Anzahl der Betten übersteigt, gibt es kein Anzeichen, dass er sich auf seinen eigenen Platz zurückziehen könnte, und das ist mir peinlich, denn schließlich wird er ja als "Weißer" so oder so Sandra und mir zugeordnet. Er weicht dann auch nicht wirklich aus unserem Abteil, als später noch die letzten zwei zusteigen, legt er sich auf den Flur.

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