09. Mai 2007

Wir verlassen das Paradies

Sandra erkältet sich über Nacht. Schuld daran ist vielleicht unser wahnsinniger Ventilator, der von heftigen Stromschwankungen gebeutelt mal langsam rotiert, mal einen wahren Sturm entfacht.

Von der Idee ergriffen, mal ausnahmsweise "vernünftig" zu Frühstücken (also vielleicht weniger als 50% Fett), irren wir nach dem Check Out durch die Gassen. Unsere Rucksäcke konnten wir im Guest House deponieren.

Es findet sich aber kein geeignetes Cafe, und so verschiebt sich unsere Priorität auf das Auffinden eines Internetcafes mit Skype. Auch das bleibt aus, also nutzt Sandra einen öffentlichen Fernsprecher, um ihrer Mutter zum Geburtstag zu gratulieren.

Der darauffolgende Versuch, schon mal unser Zimmer für Agra klar zu machen, scheitert an unserem idiotischen Reiseführer: Dort ist die Vorwahl Agras nicht aufgeführt. (Nachtrag: Die aktuelle Ausgabe dieses Reiseführers hat tatsächlich einen Preis gewonnen, wir können es nicht fassen!)

Sieht Jan wirklich so aus?

Sieht Jan wirklich so aus?

Also machen wir uns auf zum Schneider, wo Sandra noch Änderungswünsche hat. Diese mitgeteilt geht es weiter, diesmal nehmen wir Internet ohne Skype. Dort finde ich die Vorwahl Agras heraus und rufe von einem Phone Shop an. Ein Double Room mit Fan geht klar.

Wir checken noch ein bisschen dies und das, dann geht es zurück zum Schneider, die Änderungen sind ausgeführt und für gut befunden, zum letzten Mal rauf auf unsere Dachterasse, wir wollen ja für unsere Zugfahrt noch was im Magen haben.

Ein letzter Blick auf den Ganges

Ein letzter Blick auf den Ganges

Durch ein nettes Gespräch mit einem anderen Deutschen, der von Sikkim und Nepal erzählt, verlassen wir die Terasse um zehn nach vier. Da unser Zug um 20 nach fünf fährt, hatte ich Punkt vier angedacht, um auf der sicheren Seite zu sein. Dennoch bin ich noch nicht nervös.

Wir finden uns auf dem Weg zur Hauptstraße, dort aber keine Autorikscha. Noch einigen hundert Metern zu Fuß verteilen wir uns auf zwei Fahrradrikschas.

Sandras Fahrer hat ein technisches Problem und sie fallen zurück. Nach ein paar Minuten bitte ich meinen Fahrer zu warten, wenig später folgt Sandra, es gab noch eine Kollision.

Als nächstes erwartet uns eine neue Prüfung: Ein Sandsturm zieht auf, wird binnen Kürze so heftig, dass er Wellbleche von angrenzenden Dächern hebt. Unsere Fahrer fahren links ran (ich wollte natürlich ursprünglich "rechts ran" schreiben), sie kommen kaum noch gegen die Winde an, wickeln sich ihre Schals über Mund und Nase.

Immerhin bedeutet mit mein Fahrer, das sei in zwei Minuten vorbei. Sie fahren dann aber auch schon vorher wieder los, der Bahnhof ist schon in Sichtweite. Ein Segen, dass ich Kleingeld parat habe, so kann ich die beiden Chauffeure passend bezahlen. Im Bahnhof fragen wir uns zum Zug durch, der gerade einfährt, und kämpfen uns bis zu unserem Waggon nach vorne durch ca. eine Millionen InderInnen.

Wir lassen uns nieder und ich frage mich, wo bei dieser Aktion die Panik blieb, die ich bei so manch anderer Kleinigkeit schon an den Tag legte.

In unserem Abteil sitzt eine Familie, deren jüngste Tochter mit dem Handy Radio hört, ein schlacksiger Franzose, der kein Wort redet, dafür aber mit einer halben Bibliothek und einer völlig unmöglichen Tasche reist, und ein rundlicher junger Mann, der sich uns als indischer Beamter vorstellt und mit dem Sandra, nachdem aktuelle Themen wie Terrorismus, Beruf, Hitler und Politik abgehakt sind, sich vorzüglich über Sternzeichen und Horoskope unterhält.

Im Übrigen, so erzählt er uns, seien diese Art Sandstürme für Varanasi im April und Mai absolut normal und üblich, er nennt sogar den Namen des Wetterphänomens. Hallo lügender Reiseführer, wie wäre es mit einem kleinen Tipp gewesen?

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