04. Mai 2007

Botanik, Tee und Zoo

Ein neuer Tag! Im bisher bequemsten Bett Indiens schlafen wir aus. In der Nacht jedoch ein Gewitter, ich vermute ein leichtes, aber der Donner kommt in den Bergen halt etwas krasser als im Flachland. So eher surround-mäßig. Sandra schläft seelig, ich liege ängstlich da und mag sie nicht wecken, ich beneide sie um ihren festen Schlaf.

Am morgen auf dem Klo trifft Sandra der Schlag. Ruhig und gelassen weist sie mich schriftlich darauf hin, ich solle mal aus dem Fenster schauen. Und ja: Ui! Der Regen der letzten Nacht hatte auch sein gutes, hat die Abgase der unzähligen Jeeps aus der Luft gewaschen, und am Horizont präsentieren sich uns Kanchenjunga (der dritthöchste Berg der Welt) und Co. Wahnsinn.

Mogelei: Dieses Panorama bot sich erst einen Tag später

Mogelei: Dieses Panorama bot sich erst einen Tag später

Unser Plan für den heutigen Tag: Botanischer Garten und Happy Valley Tea Estate. Auf dem Stadtplan im lügenden Reiseführer liegt ersterer südwestlich des Bahnhofs. Der Stadtplan, den ich mir gekauft habe, ist zwar dekorativ, aber zu Navigationszwecken unbrauchbar.

Also schlängeln wir uns im Zickzack hinab zum Bahnhof und gehen von hier an unserer Vermutung nach. Ein paar Nachfragen (mit zum Teil widersprüchlichen Antworten) später finden wir den botanischen Garten tatsächlich und gehen hinein.

Nicht abwertend gemeint, aber mit das schönste am botanischen Garten ist, dass keine Jeeps da sind

Nicht abwertend gemeint, aber mit das schönste am botanischen Garten ist, dass keine Jeeps da sind

Im Garten, der nicht viel mehr zu sein scheint als eine "Hier keine Häuser bauen"-Zone, in der zusätzlich jemand Schilder in Englisch, Hindi und Latein an die Bäume gestellt hat, ist es schön.

Nur von ferne hört man das Hupen der Jeeps, und selten sind mehr als fünf (!!!) andere Menschen in Sicht.

Schließlich führt uns der Weg immer weiter bergab, bis wir feststellen: Wir haben den Garten durchquert. Eine Pforte führt auf eine bewohnte Straße, vor einem Haus trinken zwei Inder Tee.

Unser lügender Reiseführer behauptet, der botanische Garten liege auf dem Weg zum Happy Valley Tea Estate, also frage ich die Teetrinker. Ja, natürlich, wir müssten nur dem Weg folgen, über den Gebirgsbach, zugegeben, das sei ein wenig zu klettern, aber dann einfach immer weiter und schon seien wir da.

Wie zum Beweis deutet er auf eine Grünfläche am gegenübergelegenen Hang.

Auch am Hang: Häuser

Auch am Hang: Häuser

Also machen wir uns weiter auf den Weg. Der "Gebirgsbach" ist wohl eher Teil der Kanalisation Darjeelings und jämmerlich zugemüllt. Während wir ihn auf zwei rostigen, nebeneinandergelegten Stahlträgern überqueren, fliegt einige Meter weiter schon der nächste Müllsack ins Tal.

Auf der anderen Seite kommen wir in enge Gassen, die vielleicht nicht jeder Tourist zu sehen bekommt. Kinder sagen uns auch hier gern "Hello!", gucken sich die Fremdlinge interessiert an.

Nach ein paar Ecken und Stufen erreichen wir das, was uns später als Teeplantage vorgestellt wird.

Es ist wunderschön. Die Tee-Pflanzen wirken in der Ferne wie Moos, sehr weich, dazu der noch immer sehr klare Blick auf die umliegenden Hänge. Eine Sirene ertönt, bleibt unzugeordnet.

Wir durchschreiten die Plantage auf einem Feldweg. Einige Frauen sitzen am Rand des Weges und Essen. Aha: Daher die Sirene! Die Teepflückerinnen haben Mittagspause.

Nach einer Weile erreichen wir eine Weggabelung und ein kleines Haus. Schon haben wir den Entschluss gefasst, dem Weg nach oben zu folgen, als sich ein junger Inder als Führer anbietet.

Wir willigen ein und er führt uns den Weg hinab und erzählt uns im besten indisch-englisch einige Fakten über den Tee. Dazwischen sagt er ständig "You see, Mam" und ganz selten auch mal "Sir".

Was ich behalten habe:

Unser Guide geht voran, Sandra folgt, ich wohl auch

Unser Guide geht voran, Sandra folgt, ich wohl auch

Zum indischen Englisch gehört es scheinbar, das "F" als "P" auszusprechen, hier zu hören in "First Flush", besonders gern aber auch immer wieder in der Zahl fünzig, aka "pippty".

An einem Busch bleibt der Bursche stehen und erläutert an einem dreiblättrigen Stengel, welche Blätter für welche Sorte verwendet werden. Dann zeigt er uns oben noch die Fabrik, bzw. lässt uns durchs Fenster blicken.

Er wartet mit sehr vielen Details zum Verarbeitungsprozess und zu den Trocknungszeiten auf, die ich mir selbstverständlich alle gemerkt habe, aber nur in meinem nächsten Fachbuch über Tee wiedergeben werde.

Zum Abschied geleitet er uns in eine kleine Teestube an der Weggabelung und kriegt von uns 100 Rs., eine horrende Summe, wenn man überlegt, was er uns über den Lohn der Pflückerinnen erzählt hat.

In der Teestube erwartet uns eine resolute alte Dame, die uns Tee kochen will. Es sitzen schon allerhand Touristenpärchen (Ostblock, Frankreich) da, die nacheinander Tee kaufen und gehen.

Die Dame lässt uns Tee aus fünf Schälchen und Untertassen erraten. Wir sollen ihr sagen, welches "Number One", "Two" und "Three" sind. Wir ordnen falsch.

Dann will sie vor unseren Augen ihren Tee, "Super Fine Tippy Golden Flowery Orange Picko One" kochen. Das gehe in füns Sekunden, beteuert sie. Und tatsächlich: Sie brüht Wasser auf und gießt es durch ein Sieb mit Tee. Nach weniger als fünf Sekunden ist das Wasser durchgelaufen, sie bittet zurück zu Tisch und kredenzt uns zwei Tassen. Ordentlicher Schwarztee.

Die Inderin spricht mit der Japanerin japanisch. Sie sagt, sie kann acht Sprachen. Deutsch ist auch darunter

Die Inderin spricht mit der Japanerin japanisch. Sie sagt, sie kann acht Sprachen. Deutsch ist auch darunter

Eine Japanerin kommt rein, mit ihr das gleiche Spiel. Ich lasse uns ein Guest House für Varanasi empfehlen. Wir kaufen jeder 100g des "Number One" und verabschieden uns.

Tee, verpackt und in Pflanzenform. Für die 'Number One' kommt nur das mittlere Blättchen in die Tüte

Tee, verpackt und in Pflanzenform. Für die "Number One" kommt nur das mittlere Blättchen in die Tüte

Nun gehen wir den Weg hinauf, den wir ursprünglich schon einschlagen wollten. Weiter oben begegnet uns ein deutsches Pärchen. "Have you been to the tea plantation? Is it worth it?" Wir bejahen und winken die beiden durch.

Oben an der Straße gehen wir links, da wir vermuten, rechts direkt wieder im Ort zu landen. So finden wir zufällig zum höchstgelegenen Zoo der Welt.

Drinnen lockt die Tierwelt, zunächst an verschiedenstem Wild vorbei, bis wir am Eingang des Himalayan Mountaineering Institute (HMI) landen. Praktischerweise haben wir den Eintritt dafür bereits mitbezahlt und gehen ins Himalaya-Museum.

Interessante Ausstellung, Tenzing Norkay war der erste Mensch auf dem Mount Everest, und auch über Reinhold Messner gibt es einiges zu lesen.

Danach essen wir Momo im Restaurant des HMI. Da hast du's, Michael Ende!

Wir essen Momo!

Wir essen Momo!

Auf dem Rückweg durch den Zoo noch schwarze Bären und äußerst niedliche Pandas. Dazu: langweilige Fasanen hinter vergilbten Scheiben.

Wir verlassen den Zoo und laufen Richtung Darjeeling, passieren den "Shrubbery Nightingale Park". Sandra will rein, ich hätte mich auch mit dem Heimweg anfreunden können, stimme ihr aber zu.

Im Park nehmen wir auf einer Bank mit Bergsicht platz. Eigentlich wurde die Bank verkehrtherum mit Blick in den kitschigen Park (mit asiatisch obligatorischen Blinke-Sternen) aufgestellt, der Blick auf die Berge liegt im Rücken. Begeistert stellen wir fest: Noch immer gute Sicht.

Zwei Männer aus Bangladesh lassen sich mit Sandra und mir fotografieren. Da sie unsere Digitalkamera nicht bedienen können, fehlt in unserer Version leider Sandra.

My friends from Bangladesh

My friends from Bangladesh

Nach einer Weile beschließen wir, noch eine Runde durch den Park und dann nach Hause zu gehen. Kaum haben wir uns erhoben, bricht die Musik, die durch den Park schallt, ab, und eine Frau kündigt auf englisch an, dass in der Mitte des Parks gleich Tänze aufgeführt werden. Also bleiben wir doch.

Wir beschließen, uns nach der Runde durch den Park gute Plätze zu suchen, vorher landen wir noch in einem weiteren asiatischen Fotoalbum. Man hatte uns zurnächst nur heimlich mit dem Fotohandy anvisiert, aber eben nicht heimlich genug.

Sandras neue Familie

Sandras neue Familie

Wir umrunden den Park und setzen uns. Nacheinander gibt es zunächst einen religiösen Tanz mit Becken und Trommeln, dann einen Freudentanz.

Die Männer sehen alle ein bisschen aus wie Fred Feuerstein

Die Männer sehen alle ein bisschen aus wie Fred Feuerstein

Danach ist dann aber auch für uns Schluss. Zwar wird ein weiterer Tanz angekündigt, aber wir beenden unseren Tag mit einem weiteren Mahl im Alimenti - für Sandra gibt es "Spaghitti", die sogar lecker sind ;)

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